58
11. Die ersten Bündnisse der lutherisch gesinnten Fürsten.
Reichstag zu Sxcier (1529). — Protestanten. — Jetzt
war für den Kaiser der erwünschte Augenblick gekommen, auch
in Deutschland, das seiner so sehr bedurfte, mit Nachdruck
aufzutreten. Hier hatte sich unterdessen der Strom der inneren
Gährung durch alle Provinzen fortgewälzt. Mehrere Fürsten
hatten schon öffentlich die neue Lehre in ihre Staaten einge-
sührt. Der eifrigste unter ihnen war der junge Landgraf
von Hessen, Philipp der Großmüthige. Um allen mög-
lichen Gefahren, die nunmehr über sie einbrechen könnten, zur
rechten Zeit zu begegnen, drang er auf ein Vertheidiguugs-
Bündniß. Dieses wurde im Jahre 1526 zu Torgau von
mehreren Fürsten und Grafen geschlossen. Der Kaiser, da-
mals im Kriege mit Franz I., konnte den Wunsch der Ka-
tholiken, die Religionsstreitigkeiten beizulegen, selbst nicht er-
füllen. Da eröffnete sein Bruder Ferdinand, den er zu seinem
Stellvertreter ernannt hatte, im Jahre 1529 einen Reichstag
zu Speier. Auf diesem wurde von der Mehrzahl der Reichs-
stande beschlossen: die Lutheraner sollten sich bis zu einer all-
gemeinen Kirchenversammlung aller ferneren Neuerungen ent-
halten. Gegen diesen Beschluß protestirten die Anhänger der
Reformation feierlich und erhielten davon den nachher in Ge-
brauch gekommenen Namen Protestanten.
Augsburger Llmsifgon (1530). — Im folgenden Jahre
1530*) kam endlich der Kaiser selbst, nach neunjähriger Ab-
wesenheit, zum großen Reichstage in Augsburg. Auf demselben
überreichten die Protestanten ihr von Melanchthon mit schonender
Nachgiebigkeit abgefaßtes Glaubensbekenntniß in acht und
zwanzig Artikeln, — welches daher die Augsburger Con-
fessio n genannt wird — damit hieraus genau ersehen werden
könne, in wie fern die neue Lehre von der katholischen ab-
*) In demselben Jahre erfand der Bürgermeister Steinmetz Jür-
gens zu Wattenbüttel bei Braunschweig das Spinnrad, und sein Haus
heißt noch jetzt hievon das Spinnrad.
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff]]
Extrahierte Personennamen: Philipp_der_Großmüthige Philipp Franz_I. Franz_I. Ferdinand Ferdinand Melanchthon
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Hessen Augsburg
63
Deutschland einzufallen. Auch die Protestanten in Deutsch-
land suchte er gegen den Kaiser aufzuwiegeln und stellte sich
deshalb, als ob er ganz ihre Religionsansichten theile. Jedoch
diese traueten dem falschen Ausländer nicht, der ihre Glau-
bensgenossen in Frankreich auf das heftigste verfolgte; und sie
konnten nur einen Monarchen verachten, welcher, der aller-
christlichste genannt, mit dem türkischen Sultan gegen das
Oberhaupt der Christenheit und den Beschützer der von ihm
selbst verehrten römischen Kirche sich förmlich verband. Nur
Mailand war der Zielpunkt seines Strebend, und kein Mittel
schien ihm zu unheilig, dieses Land dem Kaiser zu entreißen.
Im Jahre 1536 fing er deshalb einen neuen Krieg an. Karl,
der seinen heimtückischen Gegner nicht aus den Augen gelassen
hatte, flog schnell aus Afrika herbei und fiel in Frankreich ein.
, Schon war er bis Marseille siegreich vorgedrungen, als er
nach vergeblicher zweimonatlicher Belagerung aus Mangel an
Lebensmitteln und wegen Krankheiten in seinem Heere sich mit
Verlust über die Alpen zurückziehett mußte. Durch Vermitte-
lung des Papstes kam 1536 zu Nizza ein zehnjähriger Waf-
fenstillstand zu Stande. Der französische König, der sich mit
der Hoffnung schmeichelte, daß er doch am Ende Mailand vom
Kaiser erhalten würde, überhäufte ihn deshalb von nun an
mit Gunstbezeigungen aller Art. Als Karl aber desungeach-
tet zwei Jahre nachher Mailand seinem Sohne Philipp gab,
da entbrannte der Zorn des getäuschten Königes von neuem.
Ungewarnt durch sein früheres Unglück wollte er die Waffen
noch einmal entscheiden lassen und wartete hiefür nur den
günstigen Augenblick ab. Dieser kam bald.
Knegeszug gegen Algier. — Im Jahre 1541 unternahm
Karl eine zweite Fahrt nach Afrika. Dieses Mal ging der
Zug gegen Algier, um den verwegenen Chaireddin, der sei-
nen Räubereien keine Grenzen setzte, in seinem Schlupfwinkel
selbst aufzusuchen. Andreas Doria widerrieth zwar, in so
stürmischer Jahreszeit — es war schon Herbst — die Fahrt
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal]]
TM Hauptwörter (100): [T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T197: [Italien Mailand Stadt Rom Venedig Neapel Republik Kaiser Genua Sardinie], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T186: [Stadt Insel Hauptstadt Tunis Handel Afrika Land Hafen Küste Algier], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land]]
Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Philipp Philipp Karl Karl Andreas_Doria
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frankreich Mailand Afrika Frankreich Marseille Nizza Mailand Mailand Algier Afrika Algier
28
aufblühen zu sehen. Unter seinem Nachfolger, Karl V., der
zum Erstaunen der Welt halb Europa unter seinem Scepter
vereinigte, ragt der reiche Staatenkranz mit seinen schönen
Knospen und Blüthen aus dem Mittelalter hinüber in die
Geschichte der neuen Zeit.
Maximilian starb nach fünfundzwanzigjähriger glorreicher
Regierung am 12. Januar 1519 und wurde, seinem letzten
Willen gemäß, in denselben Sarg gelegt, den er schon seit
mehreren Jahren auf allen seinen Reisen als Mahnungszeichen
an den Tod mitgeführt hatte. Er ruhet in der Burgkapelle
zu Wiener-Neustadt, — in welcher Stadt er auch das Licht
der Welt erblickte (22. März 1459), — unter dem Hochaltäre.
Nicht lange vor dem Hinscheiden dieses Kaisers wurde
Deutschland der Schauplatz eines Ereignisses, das klein in
seinen Anfängen, aber unberechenbar in seinen Folgen, immer
verhängnißvotter in alle Verhältnisse eingriff, — die Refor-
mation oder Kirchentrennung.
Deutschland und die Reformation.
4. Vorbereitende Ursachen der Reformation.
Schon seit langer Zeit waren nicht nur von einzelnen
gutdenkcnden Männern, sondern selbst von ganzen Völkern
vielfache Klagen erhoben worden über den traurigen Zustand
der christlichen Kirche. Und nicht ungegründet waren diese
Klagen; denn es hatten sich Mißbräuche eingeschlichen, die ein
um so größeres Aergerniß gaben, je enger sie mit der Religion
selbst, dem thenersten Kleinode der Völker, in Verbindung
standen. Der neue Lebensgeist, welchen der Papst Gregor Vii.
der Kirche eingehaucht hatte, war nicht immer bei derselben
geblieben. Manche seiner Nachfolger regierten nicht in seinem
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste]]
TM Hauptwörter (200): [T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T132: [König Karl Italien Otto Kaiser Papst Reich Sohn Rom Jahr]]
Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Maximilian Maximilian Gregor_Vii Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Europa Wiener-Neustadt Deutschland Deutschland
72
niederländischen Mundart: „Wol! ick fall di lacken leh-
ren!" Dann kündigte er ihm die Strafe an. Er mußte
sein Geschütz ausliefern, eine große Geldbuße erlegen und
gleichwie der Kurfürst in Gefangenschaft bleiben. So voll-
ständig besiegte Karl den schmalkaldischen Bund.
15. Karl V. und Moritz von Sachsen.
Airgsbrilgcr Interim (1548). — Nach Beendigung des
schmalkaldischen Krieges stand die Macht des Kaisers auf der
höchsten Spitze. Jetzt sahen die Protestanten in ängstlicher
Spannung ihrem Schicksale entgegen; denn sie meinten, der
zürnende Sieger werde sofort die Abstellung aller Neligions-
neuerungen gebieten. Allein auch dieser Argwohn ensprang *
wieder aus dem fortwährenden Mißtrauen, welches sie in die
Lauterkeit der Gesinnung des Kaisers setzten, und welches schon
so oft seine edelsten Absichten vereitelt hatte. Karl hatte frei-
lich einen Abscheu gegen alle Neligionsneuerungen und wünschte
nichts mehr, als daß die Protestanten sich mit den Katholiken
wieder vereinigen möchten. Allein er wußte wohl, daß die
Gewalt der Waffen nicht das rechte Mittel sei, eine dauer-
hafte Vereinigung herbeizuführen. Stets hatte er deshalb
den Weg der Güte eingeschlagen, durch Neligionsgespräche und
Reichstage die streitenden Parteien auszusöhnen gesucht; und
auch jetzt, obgleich schon so viele Versuche gescheitert waren,
gab er die Hoffnung zu einer friedlichen Ausgleichung nicht
auf. Er hielt noch im Jahre 1547 einen großen Reichstag
zu Augsburg und hatte die Freude, auf demselben alle Kur-
fürsten persönlich anwesend zu finden. Mehrere von ihnen
zeigten sich sogar bereit, das Concilium von Trient anzuer-
kennen, wenn auch ihre Partei dort gehört würde; und der
Kaiser schmeichelte sich schon mit der Hoffnung, daß das Conci-
lium doch wohl am Ende zu dem erwünschten Ziele führen würde.
Weil aber dasselbe sich sehr in die Länge zog, so machte er
den Vorschlag, daß die Katholiken und Protestanten einige
gelehrte und rechtschaffene Männer aus ihrer Mitte wählten,
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl_V. Karl_V. Moritz_von_Sachsen Airgsbrilgcr Karl Karl
73
die zur Erhaltung der Ruhe und Einigkeit im Reiche eine
einstweilige Glaubensrichtschnur, nachher das Jnte-
rim genannt, weil es nur einstweilen, bis zur Entscheidung
des allgemeinen Conciliums, gelten sollte, entwerfen möchten.
Die Absicht des Kaisers war wohlwollend und edel; deshalb
gaben auch alle- ihre Beistimmung. Von katholischer Seite
wurden Julius Pflug, der Bischof von Naumburg, und Mi-
chael Helding, der Weihbischof von Mainz; von protestanti-
scher Johann Agricola, Hofprediger des Kurfürsten von Bran-
denburg, hiemit beauftragt. In der von ihnen entworfenen
Glaubensvorschrift wurden alle sieben Sakramente noch beibe-
halten, und den Protestanten nichts als der Kelch beim Abend-
mahle und die Priesterehe gestattet. Als der Aufsatz vorge-
lesen wurde, und Keiner dagegen etwas einwendcte, stand so-
gleich der Kurfürst von Mainz auf und dankte im Namen der
sämmtlichen Stände für die kaiserliche Fürsorge. Aber gerade
der, von welchem der Kaiser die wenigste Schwierigkeit besorgt
hatte, Moritz von Sachsen, erklärte: „er könne ohne vorgän-
gige Rücksprache mit seinen Geistlichen das Interim nicht an-
nehmen." Karl gab ihm nach, in der festen Ueberzeugung,
daß sein alter Freund und Waffengefährte das gewiß anneh-
men würde, was selbst seine früheren Feinde bereits angenom-
men hatten. Aber in der Seele des neuen Kurfürsten waren
unterdeß auch neue Plane reif geworden. Er hatte ja vom
Kaiser erlangt, was er wünschte, und war hierbei an der
Sache seiner eigenen Glaubensgenossen sogar zum Verräther
geworden; jetzt wollte er als Haupt der protestantischen Partei
eine große Rolle spielen, jetzt an der Spitze eines Heeres den
arglosen Kaiser von der Höhe seines Glückes plötzlich hinab-
stürzen und ihm Gesetze vorschreiben. Eine Gelegenheit zur
Durchführung seiner verrätherischen Plane gegen Kaiser und
Reich ließ nicht lange auf sich warten.
Unter den Städten des schmalkaldischen Bundes war am
Ende Magdeburg noch die einzige, die sich mit dem Kaiser
nicht ausgesöhnt hatte. Mit wüthenden Schmähungen erhob
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T3: [Hebel Last Brief Ende Gewicht Rolle Gleichgewicht Punkt Seite Fig]]
Extrahierte Personennamen: Julius_Pflug Johann_Agricola Johann Moritz_von_Sachsen Karl
75
heerend in Ungarn einfielen; da warf er die Maske ab und
flog mit Sturmeseile herbei, so daß er den Kaiser, der zu
Jnnspruck krank an der Gicht darniederlag, fast ereilt hätte.
Karl, überrascht und betroffen, entließ sogleich den Kur-
fürsten Johann Friedrich (mit welchem der berühmte Maler
Lukas Kranach die Gefangenschaft freiwillig getheilt und
durch seine Gesellschaft sehr erleichtert hatte) seiner Haft und
entkam, in einer Senfte getragen, nur von wenigen Dienern
begleitet, mitten in der Finsterniß einer stürmischen Nacht, die
nur durch vorgetragene Fackeln dürftig erhellt ward, über steile
Felsen und Klippen von Jnnspruck nach Villach in Kärnthen.
Welch' mannigfaltige Gefühle mußten in dieser Nacht sich sei-
ner Seele bemächtigen! Er, der mächtigste Herrscher der Erde,
von dessen Waffenthaten drei Welttheile Zeugen waren, den
"Koch jüngst Fürsten fußfällig um Gnade gestehet hatten, floh
jetzt einsam und verlassen, wie ein aufgescheuchtes Wild, über
unwegsame Pfade, vor einem deutschen Fürsten, den er selbst
aus dem Staube gehoben hatte! Nur eine Meuterei in Mo-
ritzens Heer konnte ihn vor Gefangenschaft retten.
Pastauer Vertrag (1552). — Dieser Unfall sank tief in
das Gemüth des alternden Kaisers. Von nun an gab er
alle Hoffnung auf, den Neligionszwiespalt auf irgend einem
Wege zu beschwichtigen. Darum bot er die Hand zum Frie-
den mit dem Abtrünnigen, vorzüglich damit er mit ungetheilter
Macht wider den schlimmsten Reichsfeind, die Franzosen, ziehe.
In Passau, unter der Vermittelung des römischen Königes
Ferdinand, wurde am 31. Juli 1552 der Vertrag geschlos-
sen: „die Protestanten sollten, bis auf einem Reichstage die
Religionsstreitigkeiten gänzlich ausgeglichen wären, völlige Re-
ligionsfreiheit und gleiche Rechte mit den Katholiken, der ge-
fangene Landgraf aber seine Freiheit erhalten." Mit schwe-
rem Herzen Unterzeichnete endlich auch der Kaiser diesen Pas-
sauer Vertrag. Jedoch blieb noch Manches zu bestimmen
übrig, was der nächste Reichstag vervollständigen sollte.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung]]
TM Hauptwörter (200): [T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans]]
Extrahierte Personennamen: Karl Karl Johann_Friedrich_( Johann Friedrich Lukas_Kranach Ferdinand
40
er das Land verlassen. Er begab sich nach der Schweiz und
machte zuletzt Genf zum Mittelpunkte seiner Bestrebungen. Als
Prediger und Lehrer der Theologie gründete er hier ein neues
Lehrsystem, welches in mehreren Punkten von der Lehre Luther's
sowohl als auch Zwingli's abwich. Je höher sein Ansehen
stieg, desto größer wurde auch seine Unduldsamkeit gegen Alle,
die sich nicht zu seiner Lehre bekennen wollten. Er starb 1564.
Von Genf aus verbreitete sich seine Lehre in das benachbarte
Frankreich, weiter in die Niederlande, nach Schottland und in
mehrere deutsche Lander. Calvin's Anhänger nannten sich eben-
falls Reformirte, erhielten aber in Frankreich den Namen Hu-
genotten, in Schottland Presbyterianer oder Puritaner.
6. Luther auf dem Reichstage zu Worms. 1521.
Unterdessen war Karl V. an die Stelle seines verstor-
benen Großvaters Maximilian zum deutschen Kaiser erwählt.
Seine Erhebung hatte er vorzüglich dem Kurfürsten von Sach-
sen, Friedrich dem Weisen, zu verdanken, der selbst die ihm
angebotene Kaiserkrone zu Gunsten des jungen hoffnungsvollen
Enkels Marimilian's auögeschlagen hatte. Jetzt bewarben sich
beide Parteien, die Katholiken sowohl als die Lutheraner, um
die Gunst des neuen Kaisers. Der Kurfürst von Sachsen
insbesondere bot seinen ganzen Einfluß bei ihm zu Gunsten
Luther's auf. Luther selbst richtete an den Kaiser ein Schrei-
den, in welchem er sich bitter über seine Widersacher beklagte
und dringendst um Schutz bat. Erasmus, Hutten und
mehrere andere Gelehrten fuhren fort, durch Schriften aller
Art die Gährung zu erhalten und zu befördern. Alles war
in gespannter Erwartung, auf welche Seite sich der neue Kaiser
in der Kirchenfrage wenden würde. — Karl hing mit ganzer
Seele an dem Glauben seiner Väter und war entschlossen,
kein Mittel unversucht zu lassen, die obwaltenden Streitigkeiten
zu heben und so Ruhe und Frieden in Kirche und Staat wieder
u..... Er hatte einen Reichstag nach Worms ausge-
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten]]
Extrahierte Personennamen: Genf Karl_V. Karl_V. Maximilian Maximilian Friedrich Friedrich Karl
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Niederlande Schottland Frankreich Schottland Worms Sachsen Worms
84
es Lutheraner und Reformirte, die sich auf das Bitterste haßten
und verfolgten. Dann zerfielen die Lutheraner selbst wieder
in zwei Parteien; die gemäßigtere folgte den Grundsätzen
des Melanchthon, während die strengere sich genau au Lu-
thers Wort hielt, als ob seine Schriftauslegung die einzig
wahre und deshalb die Richtschnur des Glaubens für alle Zeiten
hätte sein können. Beide Parteien verfolgten sich lieblos untere
einander und gaben so den Katholiken die Waffen gegen sich
selbst in die Hand. Darum hatte der Kaiser Ferdinand wohl
Recht, wenn er in seinem Testamente, in welchem er seine Söhne
auf das dringendste ermahnte, fest, beständig und beharrlich zu
bleiben bei der wahren, alten christlichen Religion, wie seine
Vorfahren, von den Protestanten damaliger Zeit sagte: „Da
sie gar nicht einig, noch einhellig seien, sondern vielmehr un-
einig und getrennt, wie es recht und gut sein könne, was sie
glauben? Es könne nicht viel, sondern nur einen Glauben ge-
den. Weil sie nun selber nicht leugnen mögen, daß sie viel
Glauben haben, so könne der Gott der Wahrheit nicht bei ihnen
sein." — Eben das war auch der Grund, daß an vielen Orten
Manche zu dem Glauben der alten Kirche zurückkehrten.
Der Kaiser Ferdinand I. starb im Jahre 1564. Sein
Hauptstreben, die gegenseitige Erbitterung der Gemüther nicht
zu einem gewaltsamen Ausbruche kommen zu lassen, sondern
den Frieden im Reiche zu erhalten, hatte er erreicht. Darum
nahm er auch die Achtung und Liebe beider Religionsparteien
mit sich in's Grab. Das schönste Zeugniß hat ihm sein größter
Feind, der Sultan Soliman, ausgestellt, der bei der Nachricht
von dem Tode des Kaisers voll Rührung ausrief: „Da ist
fürwahr ein gerechter und redlicher Fürst gestorben!"
Unter den drei Söhnen Ferdinand's I. trat eine Thei-
lung der österreichischen Länder ein. Sein ältester Sohn
und Nachfolger auf dem Kaiserthrone, Marimilian 11., er-
hielt die Königreiche Ungarn und Böhmen und das Herzogthum
Oesterreich ob und unter der Enns; sein Bruder Ferdinand
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
Extrahierte Personennamen: Ferdinand Ferdinand_I. Soliman
- 88 —
gorianischen Kalender auf dem Reichstage zu Augsburg
1582 den Ständen überreichen, mit dem Aufträge, denselber
einzuführen. Die Katholiken waren damit zufrieden, die Pro-
testanten aber weigerten sich hartnäckig. So entstand allent-
halben Verwirrung in der Zeitrechnung, was die Protestanten
einsahen und endlich im Jahre 1700 den verbesserten Kalender
annahmen. England folgte erst 1752, und Schweden 1753.
Rußland blieb beim Alten.
Aber auch bedenkliche Vorfälle und aufrührerische Bewe-
gungen ereigneten sich schon in mehreren Theilen des Reiches.
In Aachen hatten sich einige Bürger bereits zur augsburgischen
Confession bekannt, und der katholische Magistrat hatte sie
zwar geduldet, ihnen jedoch den Zutritt zu allen Aemtern der
Stadt versagt. Als aber ihre Partei durch die Ankunft vieler
Reformirten aus den benachbarten Niederlanden verstärkt wor-
den war, rotteten sie sich zusammen, stürmten das Rathhaus,
bemächtigten sich der Waffen und setzten sich mit Gewalt in
gleiche Rechte mit den Katholiken. •— In der freien Reichsstadt
Donauwörth, in welcher der Magistrat protestantisch war,
wurde im Jahre 1577 das Gesetz gegeben, Niemand solle zum
Bürger angenommen werden, der nicht von protestantischen
Predigern sich trauen und seine Kinder taufen lasse, und von
der Zeit an herrschte hier die größte Gährung. Eines Tages
hielten die Katholiken eine feierliche Prozession nach dem be-
nachbarten Orte Ochsenhcim. Anfangs lachten und spotteten
die Protestanten nur; bei dem Rückzüge aber besetzte ein Haufe
das Thor, fiel über die Prozession her, schlug die Fahnen mit
Kolben und Stangen zu Boden und jagte die katholische Ge-
meinde mit ihren Geistlichen auseinander. Die Stadt wurde
deshalb in die Acht erklärt, und die Vollziehung derselben dem
Herzoge von Bayern übertragen, welcher auch die Stadt in
seiner Gewalt behielt, weil sie die Erekutionskosten nicht er-
statten konnte. — Fast eben so stürmisch waren die Auftritte
in Oesterreich. Der Kaiser Maximilian 11. hatte seinen pro-
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni]]
89
testantischen Untertanen die freie Ausübung ihrer Religion
gestattet. Hier und da aber wurde diese Erlaubniß sehr miß-
braucht, namentlich in Wien, wo einer ihrer Prediger, Namens
Opitz, solche tollkühne Ausfälle auf die katholische Religion
wagte, daß man hatte meinen sollen, er habe es absichtlich
darauf angelegt, den kaiserlichen Hof, durch dessen Duldung
und Begünstigung er doch predigte, durch die beleidigendsten
Vorwürfe herauszufordern und die katholischen Einwohner von
Wien auf alle Weise wider sich und die Seinigen, und diese
wider jene aufzuhetzen. Rudolf nahm ihnen daher nicht nur
die bisherigen Vergünstigungen, sondern verweigerte ihnen auch
den ferneren Aufenthalt in seinem Lande und reizte sie so zur
größten Wuth.
Diese und ähnliche Auftritte steigerten mit jedem Tage die
gegenseitige Erbitterung. Die religiösen Wirren in Deutsch-
land benutzten wieder die Türken und fielen in Ungarn ein.
Und als der Kaiser die Reichshülfe ansprach, weigerten sich
Protestanten und forderten zunächst, daß die Bestätigung des
Religionsfriedens erneuert werde. Dagegen stellten die katho-
lischen Stände die Forderung, daß dann aber auch die pro-
testantischen Stände die geistlichen Güter wieder herausgeben
möchten, die sie seit dem Religionsfrieden gegen die ausdrück-
liche Bestimmung desselben sich angemaßt hatten. Die Reichs-
hülfe blieb aus. Es traten vielmehr die protestantischen Fürsten,
die noch besonders ermuthigt wurden durch lockende Versprechun-
gen von Seiten des Königes Heinrich 11. von Frankreich, im
Jahre 1608 von neuem in eine bewaffnete Verbindung, Union
genannt, an deren Spitze der reformirte Kurfürst Friedrich
von der Pfalz sich stellte. Doch nicht alle protestantische
Fürsten und Städte traten dieser Union bei; denn sie haßten
das ealvinische Bundeshaupt. Als die Katholiken solche krie-
gerische Maßregeln von Seiten der Protestanten sahen, schlossen
auch sie unter sich ein Bündniß, die sogenannte Liga, 1609,
und wählten den talentvollen und muthigen Herzog Maxi-
milian von Bayern zum Oberhaupte. So standen die
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]
Extrahierte Personennamen: Namens
Opitz Rudolf Rudolf Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Wien Wien Deutsch- Ungarn Frankreich